Montag, 13. Oktober 2008

Ein kleiner Spuk

Na gibt's denn sowas? Der deutsche Literatur-Papst Marcel Reich-Ranicki hat den deutschen Fernsehpreis abgelehnt. Spontan, aus dem Bauch heraus. Was daraus wurde ist eine merkwürdige Aufführung. Stehende Ovationen für den senilen Herrn, als er dann auf seine unverwechselbare Art ausholt und sich über das schimpft, was er vier Stunden hat ertragen müssen, weiß das Saalpublikum nicht so recht wie es reagieren soll.

Ist das nun ein Witz? Mal besser mitlachen. Aber der bleibt ja toternst. Lehnt der wirklich den Ehrenpreis ab? Ach jetzt kommt die übliche Kulturschelte fürs Fernsehen, angeführt von einem Lob für Arte. Na, da klatschen wir doch mal scheinheilig, wir, die den Schund überhaupt erst verbrochen haben.

Um bewerten zu können, was den Marcel Reich-Ranicki so auf die Palme gebracht hat, müßte man die Verleihung des Fernsehpreis gesehen haben. Ich habe es jedenfalls nicht. Nie im Leben wäre ich auf die Idee gekommen, eine von Thomas Gottschalk moderierte Beweihrauchung der täglichen Misere unseres Fernsehprogramms zu schauen. Nach allem was es in Zeitung und Netz darüber zu lesen gab, war es was zu erwarten war: Eine so dermaßen niveaulose, unlustige und erbärmliche Unterhaltung, für die einfach noch keine passende Droge erfunden wurde. (interesanterweise kürzte selbst das ZDF einige Knaller, wie Dwdl berichtet.)

Eigentlich müßte dem Fernsehen jetzt ein Licht aufgehen. Wir sind nun so weit unten angekommen, daß uns die Preisträger davon laufen. Und Herr Marcel Reich-Ranicki hat ja auch recht, mit anständiger Unterhaltung hat das Fernsehen hierzulande nur noch selten was zu tun. Natürlich will niemand den lieben langen Tag Arte oder 3Sat gucken. Aber wer erträgt denn noch ein Nachmittag zwischen privaten Krawall-Talk und öffentlich-rechtlichen Knuddel-Zootierchen. Das eine ist Verdummung, das andere Berieselung, die einen Dumm hält.

Das schlimme ist ja, das alle bißchen intellektueller Angehauchten, die Misere erkannt haben. Da in den Führungsriegen des Fernsehen eben auch solche Köpfe sitzen, wissen die genausogut Bescheid, was sie da eigentlich zeigen. Das Alibi ist immer das gleiche: Ihr wollte es doch nicht anders, ihr seid es die schaut, die Quote gibt uns recht. So wird der schwarze Peter weitergereicht. Schließlich schauen die Zuschauer im Prinzip alles was ihnen vorgesetzt wird. Wirklich alles. Setzt man ihnen etwas schlechtes vor, sie schauen es. Setzt man ihnen nur schlechtes vor, gucken sie es ebenfalls. Aber warum ist eigentlich niemand auf die Idee gekommen ihn mal nur Gutes vorzusetzen, was würden sie dann machen? Genau, Einschalten natürlich!

Ganz abgewendet hat sich ja auch Herr Reich-Ranicki nicht. Thomas Gottschalk trat an den entrüsteten Reich-Ranicki von der Seite heran und bot ihm an, eine Gesprächsrunde mit den Itendanten der großen TV-Anstalten über alles was so fehle im TV. Reich-Ranicki stimmte dem zu, wenn er auch bezweifelte, dass es dazu kommen würde. (Das ZDF hat aber inzwischen einen Sendeplatz am Freitag freigemacht und ist willens diese Talkrunde abzuhalten.) Gottschalk hatte mit seiner humorvollen Art gleich wieder die Lacher des publikums auf seiner Seite und rettete so die Situation. Reich-Ranicki erzählte daraufhin kleine herzzerreißende Geschichte, um sich anschließend mit Gottschalk zu verbrüdern und vom Publikum ausgiebig feiern zu lassen. Es war wie ein kleiner Spuk, so schnell wie es gekommen war, war es auch wieder vorbei.

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