Montag, 8. Oktober 2007

Das schlechte Gewissen Österreichs

Wenn ein ganzes Land über ein Thema debattiert, ist es nicht ungewöhnlich, dass die Nachbarländer nicht wirklich was davon mitbekommen. Aktuell ist dies in Österreich der Fall. Der Fall der kosovarischen Familie Zagaj hat dort eine große Diskkussion zur Asylpolitik entfacht. Die Bürgerkriegsflüchtlinge hatten vergeblich alle juristischen Mittel herangezogen, konnten ihre Abschiebung aber nicht verhindern. Daraufhin ist die 15-jährige Tochter Arigona untergetaucht. Die vier Brüder und der Vater sind bereits in den Kosovo abgeschoben worden, die Mutter wurde Aufschub gewährleistet, um ihre Tochter zu suchen, derzeit sie liegt nach einem Nervenzusammenbruch im Krankenhaus.

Insofern eine tragische Geschichte. Aber Arigona scheint es faustdick hinter den Ohren zu haben, denn anstatt sich öffentlich kriminalisieren zu lassen, hat sie sich auf ein Fernduell mit dem österreichischen Innenminister Günther Platter eingelassen. Nach einem öffentlichen Brief griff sie auf das für gewöhnlich von Terroristen gebrauchte Mittel der Videobotschaft zurück. Diese spielte sie dem ORF zu. Hier begründet sie ihre Flucht: "Ich will einfach, dass ich hier bleiben kann, dass ich eine bessere Zukunft hab. Unten hab ich gar nichts. Meinen kleinen Geschwistern geht es unten auch sehr schlecht, wie ich gesagt hab, und ich würde auch zurückkommen aus meinem Versteck, wenn wenigstens meine kleinen Geschwister nach Österreich kommen. [...] Wenn ich jetzt wirklich zurück muss, dann bring ich mich lieber um, weil unten hab ich einfach keine Zukunft. Unten kann man gar nichts machen, da kann man keine Ausbildung machen und gar nichts." Zu Angeboten und Aufforderungen des Ministers entgegnet sie: "Ich habe gelesen, dass der Herr Platter in der Zeitung geschrieben hat, dass ich aus dem Versteck zurückkommen soll, aber ich vertraue dem Herrn Platter nicht."

Nun hat der Minister natürlich ein Problem, das idyllische Frankental, dem Heimatort der Familie, stellt sich hinter die Zagajs, aber auch in vielen anderen Orten Österreichs kam es zu Demostrationen gegen die Abschiebung. Die öffentliche Stimmung droht zu kippen, aber gleichzeitig kann er in seiner Wählerschaft der ÖVP mit seinem unnachgiebigen Kurs in der Asylpolitik punkten, den er seit Wochen umzusetzen versucht. Derzeit wiederholt er gebetsmühlenartig "nicht erpressbar" zu sein, er werde "nicht einknicken".

Der noch jungen Arigona ist es nicht nur gelungen die Thematik der Asyldebatte wieder aktuell zu machen, sondern hat ihr gleichzeitig ein Gesicht gegeben. Wenn man sie in ihrer Videobotschaft reden hört, merkt man ihr die Verzweiflung an und es ist nicht verwunderlich, das viele Österreicher daran zweifeln, ob es richtig ist so mit menschlichen Schicksalen zu wiederfahren. Dass die folgende Debatte nur in Österreich stattfindet ist sofern bedauernswert, da auch hier in Deutschland eine Wiederbelebung der Asyldebatte wirklich von Nöten ist.





gesamter Text der Videobotschaft

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